Das Trump-Prinzip im Hundetraining
Populismus
Wenn komplexe Fragen auf einfache Parolen reduziert werden, spricht man von Populismus. Trump wurde damit zum Symbol einer Politik, die auf Vereinfachung, Verdrehung und Einschüchterung setzt – und genau diese Muster finden sich auch im Hundetraining. Aversiv arbeitende Trainer:innen nutzen sie, um ihre Methoden zu legitimieren. Doch wie in der Politik gilt auch hier: Einfache Parolen verdrängen wissenschaftliche Grundlagen und richten langfristig Schaden an.
Mechanismus 1: Vereinfachung statt Erklärung
Hunde lernen über differenzierte Prozesse: klassische und operante Konditionierung, Generalisierung, Kontext u.v.m.. Diese Grundlagen sind komplex, aber unverzichtbar.
Das Trump-Prinzip im Hundetraining ersetzt sie durch eingängige Slogans:
„Der Hund braucht klare Grenzen.“
„Leckerli werfen bringt nichts.“
„Hunde unter sich sind auch nicht zimperlich.“
Solche Aussagen klingen plausibel, sind aber wissenschaftlich falsch. Studien zeigen, dass positive Methoden zu stabileren Lernergebnissen führen und das Risiko problematischer Verhaltensweisen reduzieren (Hiby et al., 2004; Blackwell et al., 2008).
Mechanismus 2: Verdrehte Fakten
Aversive Trainer:innen behaupten gern, gewaltfreies Training sei „extrem“ oder „einseitig“. Bedürfnisorientierung wird dabei karikiert – als Laissez-faire oder „Verhätschelung“.
Tatsächlich arbeiten moderne Ansätze nach dem Least Intrusive, Minimally Aversive (LIMA)-Prinzip: Es wird stets die am wenigsten belastende, zugleich wirksame Methode gewählt. Gewaltfreie Ansätze sind wissenschaftlich abgesichert und rechtlich unproblematisch (Vieira de Castro et al., 2020). Diese Tatsachen werden aber gern verdreht, um Strafe als unverzichtbar darzustellen.
Mechanismus 3: Feindbilder als Ablenkung
Wie im Populismus werden Andersdenkende nicht mit Argumenten, sondern mit Diffamierungen bekämpft. Besonders positive Trainer:innen werden als „realitätsfern“ oder „verantwortungslos“ etikettiert. Man wirft ihnen sogar vor, sie seien schuld an überfüllten Tierheimen – angeblich, weil sie keine Grenzen setzten.
Doch die Daten sprechen eine andere Sprache: Gewalt im Training erhöht das Risiko für Angst, Aggression und Abgabe signifikant (Deldalle & Gaunet, 2014). Feindbilder dienen nur dazu, von den Folgen der eigenen Methoden abzulenken.
Mechanismus 4: Einschüchterung als Werkzeug
Aversive Methoden arbeiten über Angst – bei Hunden wie bei Menschen:
Hunde sollen mit Leinenruck, Hochziehen, Stoßen, Blocken oder ähnlichem dazu gebracht werden ein Verhalten künftig zu vermeiden.
Menschen werden verunsichert: Wer diese Methoden hinterfragt, gilt als „naiv“ oder „inkonsequent“.
Psychologisch handelt es sich um Machtausübung in Form kombinierter Gewaltformen. Kurzfristig erzwingen diese Methoden Gehorsam, langfristig zerstört sie Vertrauen. Aversiv trainierte Hunde zeigen ein nachweislich höheres Stressniveau und unsicherere Bindungen zu ihren Sozialpartner:innen. (Vieira de Castro et al., 2020).
Warum das Trump-Prinzip trotzdem verfängt
Das Muster funktioniert, weil es grundlegende psychologische Mechanismen nutzt:
Einfachheit: Parolen sind leichter zu merken als Lerntheorie.
Emotion: Angst wirkt stärker als Argumente.
Wiederholung: Schlagworte verfestigen scheinbare Wahrheiten.
Für überforderte Halter:innen klingt „klare Grenzen setzen“ plausibler als Markertraining oder Frustrationstoleranz. Doch diese Scheinlogik hat einen hohen Preis.
Faktencheck
Die Folgen für Hunde sind wissenschaftlich belegt:
Stress und Angst: erhöhte Cortisolwerte und deutliche Stresssignale (Beerda et al., 1999).
Verhaltensprobleme: direkter Zusammenhang zwischen aversiven Methoden und Aggressions- oder Angststörungen (Blackwell et al., 2008).
Gestörte Bindung: Hunde aus Straftrainings zeigen unsicheres oder meidend-vermeidendes Verhalten gegenüber ihren Bezugspersonen (Vieira de Castro et al., 2020).
Das Trump-Prinzip im Hundetraining erzeugt keine Stabilität, sondern Unsicherheit – und schadet der Mensch-Hund-Beziehung nachhaltig.
Wissenschaft und Bedürfnisse als Gegenentwurf
Dem populistischen Muster stehen fundierte Trainingsansätze gegenüber:
Positive Verstärkung fördert Kooperation und Lernfreude (Hiby et al., 2004).
LIMA-Prinzip garantiert minimal belastende, maximal wirksame Methoden.
Bedürfnisorientierung schafft echte Balance, da sie individuell angepasst ist und ohne Gewalt auskommt.
Diese Ansätze sind komplexer zu erklären, dafür aber nachhaltig, fair und tierschutzkonform.
Fazit
Das Trump-Prinzip im Hundetraining beschreibt Strategien, die Gewalt legitimieren: Vereinfachung, Verdrehung, Feindbilder und Einschüchterung. Sie schaffen kurzfristig Gehorsam, aber langfristig Stress, Vertrauensverlust und Verhaltensprobleme.
Wer Hunde respektiert, verlässt sich nicht auf Parolen, sondern auf Wissenschaft, Empathie und Bedürfnisorientierung.
Literatur
Beerda, B., Schilder, M. B. H., van Hooff, J. A. R. A. M., & de Vries, H. W. (1999). Manifestations of chronic and acute stress in dogs. Applied Animal Behaviour Science, 64(2), 107–119.
Blackwell, E. J., Twells, C., Seawright, A., & Casey, R. A. (2008). The relationship between training methods and the occurrence of behavior problems, as reported by owners, in a population of domestic dogs. Journal of Veterinary Behavior, 3(5), 207–217.
Deldalle, S., & Gaunet, F. (2014). Effects of two training methods on stress-related behaviors of the dog (Canis familiaris) and on the dog–owner relationship. Journal of Veterinary Behavior, 9(2), 58–65.
Hiby, E. F., Rooney, N. J., & Bradshaw, J. W. S. (2004). Dog training methods: their use, effectiveness and interaction with behaviour and welfare. Animal Welfare, 13(1), 63–69.
Schilder, M. B. H., & Mendl, M. (2010). Why we should never use aversive stimuli in training. Journal of Veterinary Behavior, 5(5), 235–238.
Vieira de Castro, A. C., Barrett, J., de Sousa, L., & Olsson, I. A. S. (2020). Carrots versus sticks: The relationship between training methods and dog-owner bond. Applied Animal Behaviour Science, 225, 104964.
