“Balanced Training“ oder die ausgewogene Anwendung von Gewalt
Ausgewogene Tierschutzrelevanz
„Balanced Training“ klingt nach Mitte und Maß – nach einem angeblich vernünftigen Weg zwischen „zu streng“ und „zu weich“. Hinter dem Begriff verbirgt sich jedoch kein modernes Konzept, sondern die bewusste Kombination aller vier Lernquadranten der operanten Konditionierung:
- positive Verstärkung (z.B. Belohnung), 
- negative Verstärkung (z.B. Druck, der beim „richtigen“ Verhalten endet), 
- negative Strafe (z.B. Entzug von etwas Angenehmem), 
- positive Strafe (z.B. Zufügen von Schmerz, Schreck oder Bedrohung). 
Das vermeintliche Gleichgewicht entsteht also nicht durch Fairness, sondern durch die systematische Verknüpfung von Belohnung mit Strafe. Und sobald positive Strafe eingesetzt wird, ist Training nicht ausgewogen - sondern tierschutzrelevant.
Die Strategie hinter dem Begriff
Befürworter:innen dieses Ansatzes stellen ihn gern als „maßvoll“ dar und bezeichnen gewaltfreies, bedürfnisorientiertes Training als „extrem“ oder „einseitig“. So wird die eigene Arbeit mit Strafe sprachlich legitimiert. Das Etikett „balanced“ verschleiert, dass Hunde gezielt Druck, Bedrohung und Übergriffen ausgesetzt werden – und macht Gewalt gesellschaftsfähig.
Folgen für Hunde
Die Forschung zeigt seit Jahren, dass Strafe im Hundetraining gravierende Nachteile hat:
- Hunde, die mit aversiven Methoden trainiert werden, zeigen deutlich mehr Stress- und Beschwichtigungssignale (Deldalle & Gaunet, 2014). 
- Strafen erhöhen das Risiko für Angst- und Aggressionsprobleme (Blackwell et al., 2008). 
- Die Beziehung zu Menschen wird belastet, Vertrauen durch Unsicherheit ersetzt (Vieira de Castro et al., 2020). 
Kurzfristig entsteht möglicherweise Gehorsam, langfristig aber Leid, Verunsicherung und ein höheres Risiko für problematisches Verhalten (Schilder & Mendl, 2010).
Rechtliche Grenzen
Das deutsche Tierschutzgesetz ist eindeutig:
- § 1 TierSchG untersagt, Tieren ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. 
- § 3 TierSchG verbietet Handlungen, die erhebliche Leiden verursachen – dazu gehören auch Praktiken, die im Alltag vieler Hundeschulen vorkommen: Rucken an der Leine, Hochziehen, Piksen in die Seite, Bespritzen mit Wasser, Blocken oder ähnliche Maßnahmen, die Angst und Schmerzen erzeugen. 
Diese Vorgehensweisen sind keineswegs harmlos, sondern verstoßen gegen geltendes Recht und die ethischen Grundlagen des Tierschutzes.
Was wirklich ausgewogen ist: Bedürfnisorientiertes Training
Im Gegensatz dazu ist bedürfnisorientiertes Training kein starres Schema, sondern ein flexibles Vorgehen, das sich am individuellen Hund orientiert:
- Es berücksichtigt Bedürfnisse wie Sicherheit, soziale Nähe, Bewegungsfreiheit und kognitive Auslastung. 
- Es folgt dem Least Intrusive, Minimally Aversive (LIMA)-Prinzip: Es wird immer die Methode gewählt, die so wenig belastend wie möglich ist und trotzdem wirksam bleibt. 
- Positive Verstärkung bildet den Kern. Negative Strafe oder negative Verstärkung können in Einzelsituationen auftreten, sind jedoch keine bewusst eingesetzten Werkzeuge, sondern eher Nebenprodukte, die möglichst minimiert werden. 
- Positive Strafe wird konsequent ausgeschlossen – Gewalt hat keinen Platz. 
Damit ist es nicht das „Balanced Training“, sondern das bedürfnisorientierte Training, das tatsächlich ausgewogen ist: individuell, flexibel und konsequent gewaltfrei.
Fazit
„Balanced Training“ ist ein Euphemismus für die Verknüpfung von Belohnung und Gewalt. Das vermeintliche Gleichgewicht beruht auf dem gezielten Einsatz von Druck, Strafe und Angst – mit nachweislich schädlichen Folgen für Hunde.
Bedürfnisorientiertes Training hingegen schafft echte Balance: Es verbindet Lerntheorie mit den Bedürfnissen des Hundes, setzt auf die am wenigsten belastenden Methoden und verzichtet konsequent auf Gewalt.
Ausgewogen ist nicht, wer Strafe einsetzt. Ausgewogen ist, wer den Hund als Individuum betrachtet und seine Bedürfnisse respektiert.
Literatur
- Blackwell, E. J., Twells, C., Seawright, A., & Casey, R. A. (2008). The relationship between training methods and the occurrence of behavior problems, as reported by owners, in a population of domestic dogs. Journal of Veterinary Behavior, 3(5), 207–217. 
- Deldalle, S., & Gaunet, F. (2014). Effects of two training methods on stress-related behaviors of the dog (Canis familiaris) and on the dog–owner relationship. Journal of Veterinary Behavior, 9(2), 58–65. 
- Hiby, E. F., Rooney, N. J., & Bradshaw, J. W. S. (2004). Dog training methods: their use, effectiveness and interaction with behaviour and welfare. Animal Welfare, 13(1), 63–69. 
- Schilder, M. B. H., & Mendl, M. (2010). Why we should never use aversive stimuli in training. Journal of Veterinary Behavior, 5(5), 235–238. 
- Tierschutzgesetz (TierSchG), Bundesrepublik Deutschland, aktuelle Fassung. 
- Vieira de Castro, A. C., Barrett, J., de Sousa, L., & Olsson, I. A. S. (2020). Carrots versus sticks: The relationship between training methods and dog-owner bond. Applied Animal Behaviour Science, 225, 104964. 
