„Räume verwalten“ – Gefährliche Euphemismen im Hundetraining
Harmlos klingende Begriffe für üblen Umgang
In den letzten Jahren tauchen im Hundetraining zunehmend Begriffe auf, die harmlos und modern klingen, tatsächlich jedoch alte aversive Methoden verschleiern. Besonders populär ist die Bezeichnung „Räume verwalten“. Hinter diesem Ausdruck verbirgt sich nichts anderes als der Einsatz von Druck, Blockieren und Entzug – klassische Elemente negativer Verstärkung und Bestrafung. Euphemismen wie dieser sind nicht nur irreführend, sie legitimieren auch Methoden, die nachweislich Stress, Angst und langfristige Verhaltensprobleme beim Hund fördern (Deldalle & Gaunet, 2014).
Euphemismen verschleiern die Realität
Sprache ist nie neutral. Wer von „Räume verwalten“ spricht, suggeriert einen rationalen, sachlichen Vorgang. Tatsächlich handelt es sich um ein Kontrollinstrument, das den Hund durch Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit beeinflusst. Negative Verstärkung (Beendigung von Druck, wenn der Hund „richtig“ reagiert) und Bestrafung (Druck oder Entzug, wenn er „falsch“ reagiert) sind die Kernelemente. Studien belegen jedoch, dass Hunde, die auf diese Weise trainiert werden, erhöhte Stresssignale zeigen und weniger stabil in ihrem Verhalten sind (Deldalle & Gaunet, 2014).
Was „Räume verwalten“ wirklich bedeutet
1. „Raum einfordern“ – Verdrängung durch Blocken und Druck
Der Hund wird körperlich oder psychisch bedrängt, um ihn aus einem Bereich zu verdrängen. Forschung zeigt, dass solche Methoden Angst und Stress auslösen und die Mensch-Hund-Beziehung belasten (Hiby et al., 2004).
2. „Raum freigeben“ – Kontrolle durch Entzug
Dem Hund wird Bewegungsfreiheit nur dann gewährt, wenn er das gewünschte Verhalten zeigt. Diese Form von negativer Verstärkung arbeitet mit Angst und Vermeidung – Faktoren, die problematisches Verhalten langfristig verstärken können (Schilder & Mendl, 2010).
3. „Raum zuweisen“ – Einschränkung durch Zwang
Das Zuweisen von Bereichen bedeutet permanente Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Hunde erleben dies als aversiven Stimulus, der Stress erzeugt und vertrauensvolle Bindung verhindert (McGreevy & Mills, 2012).
Kurzfristiger Gehorsam – langfristige Schäden
Befürworter:innen dieser Methoden argumentieren, sie seien „klar“ und „hundenah“. Doch diese Sichtweise ist trügerisch. Zwar mag kurzfristig erwünschtes Verhalten entstehen, doch auf Kosten des Wohlbefindens, weil der Hund das erwünschte Verhalten nur zeigt, um negativen Reizen zu gehen. Studien belegen: Hunde, die regelmäßig aversiven Methoden ausgesetzt sind, zeigen häufiger Verhaltensstörungen, Aggressionen und Angstprobleme (Blackwell et al., 2008).
Die Alternative: bedürfnisorientiertes Training
Ein klarer Gegenentwurf ist das bedürfnisorientierte Training. Es arbeitet mit positiver Verstärkung, freiwilliger Kooperation und respektvoller Kommunikation. Diese Ansätze fördern nicht nur Lernfreude, sondern auch das Wohlbefinden und die Sicherheit der Bindung zwischen Mensch und Hund (Blackwell et al., 2008).
Das bedeutet konkret:
gewünschtes Verhalten wird belohnt, nicht erzwungen,
die Bedürfnisse des Hundes (Sicherheit, soziale Nähe, Bewegungsfreiheit) werden berücksichtigt,
Training wird zum Mittel, Vertrauen und Bindung zu stärken, nicht Kontrolle auszuüben.
Fazit
„Räume verwalten“ klingt modern, ist aber ein Euphemismus für alte, aversive Trainingsmethoden. Wer seinen Hund respektvoll begleiten will, sollte sich von solchen Begriffen nicht täuschen lassen.
Die Gegenwart und Zukunft des Hundetrainings liegen in positiven, wissenschaftlich fundierten Methoden, die Kooperation statt Konfrontation fördern.
Literatur
Blackwell, E. J., Twells, C., Seawright, A., & Casey, R. A. (2008). The relationship between training methods and the occurrence of behavior problems, as reported by owners, in a population of domestic dogs. Journal of Veterinary Behavior, 3(5), 207–217.
Deldalle, S., & Gaunet, F. (2014). Effects of two training methods on stress-related behaviors of the dog (Canis familiaris) and on the dog–owner relationship. Journal of Veterinary Behavior, 9(2), 58–65.
Hiby, E. F., Rooney, N. J., & Bradshaw, J. W. S. (2004). Dog training methods: their use, effectiveness and interaction with behaviour and welfare. Animal Welfare, 13(1), 63–69.
McGreevy, P., & Mills, D. S. (2012). Dog training and behavior: A guide for behaviorists, trainers, and owners. CAB International.
Schilder, M. B. H., & Mendl, M. (2010). Why we should never use aversive stimuli in training. Journal of Veterinary Behavior, 5(5), 235–238.